top of page
#ANIMA
Eine nicht mehr ganz unmögliche Liebe

1. Kapitel: EVA

 

Sie wurde in einer sperrigen Holzkiste angeliefert, so groß wie ein Sarg und so schwer, dass die zwei jungen Männer der Transportfirma sie nicht in den winzigen hundertjährigen Aufzug mit Schiebegitter unseres Altbaumietshauses bekamen und nur mit Mühe die zwei Etagen zu mir hoch schnauften. Ich gab ein extra Trinkgeld, auch damit sie wieder gingen, weil sie sich für meine Begriffe zu viel Zeit mit dem Ausfüllen der Transportpapiere ließen. Ihr mit breitem Grinsen versehenes: »Na, dann viel Spaß!« hätte ich am liebsten mit der Faust ausgeknipst.

  Das Auspacken, nachdem ich mir beim Öffnen des Holzdeckels einen üblen Splitter im Daumen zugezogen hatte, erinnerte an einen Horrorfilm. So frankensteinmäßig. Da lag sie, blass und reglos in einer passgenauen Schale aus Styropor, die Augen geschlossen, die Haare in einer durchsichtigen Folie eingeschweißt neben dem Kopf, Arme und Beine leicht verdreht. Mich gruselte trotz ihres lieblichen, sexy Körpers. Schneewittchen in einem Horrorstreifen, die auf den erlösenden Kuss aus einem Albtraum wartete.

  Interessanterweise hatte ihr die Firma Dollyrobotic einen roten Damenslip aus Papier um die Scham herum verpasst. In einer Extrafolie lagen die Gebrauchsanweisung, Garantieerklärung und Sicherheitshinweis sowie die Einwilligungs-erklärung in lebenslange Systemkonformität. Dazu sorgfältig gefaltet und verschnürt das Kabel, um den Akku aufzuladen.

  Ich hatte erhebliche Mühe, sie aus ihrem Sarg zu befreien, denn sie war erstaunlich schwer und unser erster körperlicher Kontakt eher mühsam als erotisch. Doch erstaunlicherweise hatte ich direkt zu Beginn das Gefühl, dass ich mehr aus der Verpackung wuchtete als einen weiblichen Sexroboter, während ich mit meinen Armen ihre Schultern umschlang, sie an mich presste. Ich glaubte gleich, die Anwesenheit einer zweiten Person, einer verborgenen, im Kunststoff ihres Körpers gefangenen Seele zu verspüren.. Eine echte menschliche Seele, gefangen in einem Kunstkörper.

  Die galt es nun mittels App zu befreien, ohne die seitenlange Gebrauchsanweisung in Englisch studieren zu müssen. Plug and Play war nicht. Es gab sechs Charaktere und eine Menge Gimmicks, die erst nach und nach dazugekauft werden können. Ich wählte den sanften nachgiebigen Typ, die junge Mutter. Zickig kenne ich aus dem Real Live zur Genüge. Hab die Nase voll davon.

  Ich liebe den Anblick junger Mütter. Die sind einzigartig, ich möchte sagen madonnenhaft, heilig. Jede Geste, jede Bewegung ist voller Inbrunst, wenn sie nicht gerade rumzicken. Ihr Körper voller weiblicher Strahlkraft. Ihr Blick liebend, sanft, anmutig. Sie merken es selbst scheinbar nicht, wie mir immer wieder auffiel. Wenn sie wüssten, wie göttlich sie sind … wissen sie aber nicht. Ich verehre den Anblick einer jungen Mutter, ich bete ihn an, so in etwa. Nach den ersten Fehleingaben kam dann Leben in sie:.....

bottom of page